Gottes Autoritätsordnung in der heutigen Zeit

Hartmut Ising

Einführung

Die Gemeinde Gottes musste sich seit ihrem Beginn mit Einflüssen des Zeitgeistes auseinandersetzen. Im letzten Jahrhundert wurde die Unterdrückung der Frauen zu recht als Übel erkannt und bekämpft. Aber die Emanzipation trieb auch so abartige Früchte, dass selbst Gott weiblich dargestellt wird. In der Erziehung ist besonders seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts der Trend offenbar, die Autorität mehr und mehr abzuschaffen. Ein Vordenker dieser Richtung ist Erich Fromm. Er schreibt in "Ihr werdet sein wie Gott" (Rowoldt, 1980) „Er ist kein autoritärer Gott mehr. Der Mensch muss völlig unabhängig werden, d.h. auch unabhängig von Gott."

Für wahre Christen sind die beiden genannten Extreme natürlich undenkbar. Ich frage mich aber, ob wir heute noch das biblische Verständnis von Gottes Autoritätsordnung haben, das uns in 1.Kor. 11,3 vorgestellt wird: Ich will aber, dass ihr wisst, dass der Christus das Haupt eines jeden Mannes ist, das Haupt der Frau aber der Mann, des Christus Haupt aber Gott. Diese Autoritätsordnung beginnt mit Gott als Haupt von Christus in der Himmelswelt und endet in dieser Welt, wo der Mann das Haupt der Frau ist. Die Brücke zwischen beiden Welten ist Christus (1.Tim. 2,5).

Als Jesus Christus noch auf dieser Erde war, hat er seinen Jüngern ein auch für uns wichtiges Beispiel gegeben. Er antwortete auf die Bitte um eine Sonderstellung für Jakobus und Johannes, dass er zu einer solchen Entscheidung nicht autorisiert sei, sondern nur sein Vater (Mt.20,23). Da aber der Rangstreit unter den Jüngern bis zum letzten Passahmahl nicht beigelegt wurde, zeigte der Herr seinen Jüngern in vollkommener Liebe, wie Autoritätsprobleme in seinem Sinne gelöst werden: Er selbst führte den Sklavendienst der Fußwaschung aus. Gab er damit seine Autorität auf (Joh.13,13-15)?

Wenn ich heute daran denke, auf welche Weise ich früher glaubte, meine Autorität in der Familie durchsetzten zu müssen, so schäme mich. Es ist gut und richtig, dem antiautoritären Trend entgegen zu treten – aber nur mit geistlichen Mittel, in Liebe und Geduld.

Die Autoritätsordnung zwischen Mann und Frau gilt von der Schöpfung an – und zwar solange wir auf dieser Erde sind. Probleme mit dieser Ordnung treten u.a. dann auf, wenn die Ehefrau ihrem Mann intellektuell oder in der Willens- oder Entschlusskraft deutlich überlegen ist. In solchen Fällen sollten die Ehepartner gemeinsam ihren Gott und Vater um Weisheit bitten für ein Eheleben nach seinen Gedanken.

Da es in der Ewigkeit keine Geschlechtsunterschiede mehr geben wird (Mt.22,30), fällt dort auch die Autoritätsabstufung zwischen Mann und Frau fort. Das Argument der Gleichheit von Mann und Frau nach Gal.3,28 macht die Autoritätsordnung auf dieser Erde nicht ungültig. Das wollen wir uns an einem Beispiel aus dem weltlichen Bereich verdeutlichen.

Autoritätsordnungen im weltlichen Bereich

Im weltlichen Bereich gelten klare Autoritätsabstufungen, obwohl vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind. In der Behörde, in der ich bis zum Ruhstand tätig war, bestand die Autoritätsordnung: Institutsleiter, Abteilungsleiter, Fachgebietsleiter ...

Mit dieser hierarchischen Struktur bin ich in meiner Dienstzeit zweimal in Konflikt geraten, zuerst formal und später dann inhaltlich. Ich will mit Letzterem beginnen.

Meine Abteilungsleiterin gab mir einen eiligen Brief zur Durchsicht, den ich nach eventueller Korrektur absenden sollte, während sie an einer wichtigen Sitzung teilnahm. Bei der Durchsicht stellte ich fest, dass sie sich bei der Nennung des Sachverständigen für mein Forschungsvorhaben geirrt hatte. Ich ließ den Fehler von der Sekretärin korrigieren, meiner Chefin eine Kopie machen und sandte das Schreiben ab. – Vielen wird dieses Vorgehen genau so wie mir damals als völlig korrekt erscheinen. Mir wurde es aber als Eigenmächtigkeit und Missachtung der Autoritätsordnung schwer angelastet. Ich erhielt eine offizielle Rüge, weil ich zu einer inhaltlichen Änderung eines Schreibens der Abteilungsleiterin ohne ihre ausdrückliche Zustimmung nicht befugt war. Wochen später überzeugte mich 1.Pt.2,18 von meinem Fehler und ich entschuldigte bei meiner Chefin.

Zu Beginn meiner Tätigkeit in dieser Behörde hatte ich eine Frage aus meinem Spezialgebiet zu beantworten. Da ich der einzige Experte auf diesem Gebiet war, schrieb auf dem Briefbogen des Instituts und zeigte dem Verwaltungsleiter den von mir unterschriebenen Brief. Er warf einen Blick darauf und gratulierte mir ironisch zur Beförderung zum Institutsleiter. Dann erklärte er mir, dass nur der Institutsleiter ohne den Zusatz „Im Auftrag" unterschreiben darf. Alle anderen legen ihre Entwürfe auf dem Dienstweg dem Institutsleiter vor, der zur Unterschrift bevollmächtigt, wenn er mit dem Schreiben nach Form und Inhalt einverstanden ist. Diese delegierte Autorität wird durch den Zusatz „im Auftrag" dokumentiert.

Wir sehen hieran, dass im weltlichen Bereich die Anerkennung der Autorität unabhängig von Sachkompetenz und Gleichheit vor dem Gesetz gefordert wird.

Zeichen der Anerkennung von Gottes Autoritätsordnung

Kehren wir zu 1.Kor.11 zurück. Nach Gottes Autoritätsordnung ist eine Gleichstellung von Mann und Frau in dieser Welt ausgeschlossen. In den Versen 4-7 geht es um äußere Zeichen der Anerkennung von Gottes Autoritätsordnung: Das unbedeckte Haupt des Mannes und das bedeckte Haupt der Frau beim Beten oder Weissagen. Hierbei geht es um die sichtbare Darstellung der göttlichen Autoritätsordnung auf dieser Erde und nicht um die geistliche Stellung in Christus wie in Gal. 3,28.

William MacDonald schreibt: In den Versen 7-10 lehrt Paulus, daß die Unterordnung der Frau unter den Mann auf die Schöpfung zurückgeht. Diese Verse sollten ein für allemal die Idee begraben, daß seine Lehre über die Bedeckung des weiblichen Hauptes kulturell bedingt war, auf uns heute aber nicht anwendbar ist. Die Herrschaft des Mannes und die Unterordnung der Frau entsprachen von Anfang an Gottes Gebot… Wegen ihrer untergeordneten Stellung gegenüber dem Mann »soll die Frau eine Macht auf dem Haupt haben, um der Engel willen«. Die »Macht« oder das »Symbol der Autorität« ist die Kopfbedeckung, und hier steht das Symbol nicht für ihre eigene Autorität, sondern für ihre Unterordnung unter die Autorität des Mannes.

Diese Anordnung gilt für alle Frauen - unabhängig von ihrem Familienstand. Genauso wie der Mann unabhängig von seinem Familienstand den Herrn Jesus verunehrt, wenn er beim Beten etwas auf dem Kopf hat, so verunehrt die Frau durch Verweigerung des »Symbols der Autorität« den Mann oder die Männer, unter deren Autorität sie steht.

Die Verse 8-12 sind in einer besonderen Symmetrie angeordnet. Dabei bilden V.8 und V.12 eine äußere Klammer: Das in V. 8 angeführte Argument der Reihenfolge von Mann und Frau bei der Schöpfung wird ergänzt durch V.12, wonach die Erschaffung der ersten Frau aus dem Mann erst zusammen mit der Entwicklung des Kindes im Mutterleib und der Geburt durch die Frau den vollständigen Willen Gottes darstellt.

V.9 und 11 stellen eine innere Klammer dar: Das Argument in V.9, die Erschaffung der Frau um des Mannes willen, wird durch V.11 ergänzt, wo die Ehepartner daran erinnert werden, dass „im Herrn" jeder Alleingang eines der Partner ausgeschlossen ist.

In der Mitte dieser symmetrisch aufgebauten und ausgewogenen Argumentation steht in V. 10 das besondere Argument, dass die Frauen um der Engel willen ein Zeichen der Macht oder Autorität, unter der sie stehen, auf dem Haupt haben soll. Dazu schrieb David Gooding (Professor für Altgriechisch in Belfast):

Durch die Gemeinde, so lesen wir in der Schrift (Eph. 3,10; 1.Kor. 11,10), werden die Engel in der mannigfaltigen Weisheit Gottes unterrichtet. Dort sehen sie Mann und Frau wieder in ihre von Gott zugeteilte Stellung und Rolle versetzt, für die der Schöpfer sie entworfen hatte, und diese Engel können beobachten, wie Männer und Frauen aus Liebe zu Christus die Symbole verwenden, die ihr Anerkennen der Ordnung ausdrücken, die der Erlöser für sie festgelegt hat."

Gott kann zwar in die Herzen sehen, nicht aber die Engel. Wir sind uns heute viel zu selten bewusst, dass uns Unmengen von Zeugen aus der unsichtbaren Welt umgeben (Heb.12,1). Darum sollten wir uns nicht nur fragen, wie wir auf unsere Mitmenschen wirken. Die unsichtbaren Zeugen sind mindestens ebenso wichtig.

In den verbleibenden Versen 13-16 weist Paulus noch auf das natürliche Empfinden der Leser hin sowie auf die Gewohnheit der Apostel und der Gemeinden Gottes.

Warum geriet das Zeichen der Anerkennung von Autorität in Vergessenheit?

Wie steht es nun mit der Umsetzung dieser göttlichen Anordnungen in unserer Zeit? Warum ist insbesondere das äußere Zeichen der Anerkennung der göttlichen Autoritätsordnung durch die Frauen weitgehend in Vergessenheit geraten?

Bis vor einigen Jahrzehnten gehörte es zur selbstverständlichen Praxis, dass die Frauen beim Gottesdienst in bibeltreuen Gemeinden eine Kopfbedeckung trugen. Man ging davon aus, dass damit der biblischen Anordnung Folge geleistet sei. In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurde dann diese Sitte zunehmend hinterfragt. Man argumentierte:

  1. Da Beten und Weissagen zusammen genannt sind und Weissagen nur sinnvoll sei, wenn es mit laut und verständlich gesprochenen Worten geschieht, so müsse auch lautes Beten gemeint sein.

  2. Da nach 1. Kor 14,34 die Schwestern ohnehin in der öffentlichen Versammlung zu schweigen haben, brauchten sie dort auch keine Kopfbedeckung zu tragen.

Nehmen wir zunächst an, diese Argumentation sei zutreffend. Für welche Fälle gilt dann die klare biblische Aussage von 1. Kor 11,5? Offenbar in den Fällen, wo gläubige Frauen laut beten, z.B. zu Hause mit den Kindern und/oder mit ihren Ehemännern bzw. in der Frauenstunde und Sonntagsschule der Gemeinde.

Hätten die gläubigen Frauen 1. Kor 11,5 in diesem Sinne befolgt, so wäre die Kopfbedeckung der Frau in der Gemeinde nicht zu einer leeren Form verkommen, die heute zunehmend als unwichtig betrachtet wird. Wenn es uns ein Anliegen ist, dass die göttliche Autoritätsordnung wieder nach Form und Inhalt anerkannt wird, so muss der dazu erforderliche Entwicklungsprozess im Herzen und zu Hause in der Familie beginnen.

Eine wichtige Voraussetzung für dieses Umdenken ist, dass die Frauen von ihren gläubigen Ehemännern so geliebt werden, wie Christus die Gemeinde geliebt hat (Eph.5,25). Mit diesem Vorbild vor Augen wird sich ein Christ weder als Haustyrann aufführen noch als gleichgestellter Partner. – In den Gemeinden sollten die verantwortlichen Brüder deshalb die Kopfbedeckung der Frau weder erzwingen noch als unwichtige Frage abtun sondern den ganzen Ratschluss Gottes verkündigen (Apg. 20,27). Darum wollen wir nun überlegen, ob die Auslegung zutrifft, dass in 1. Kor 11,5 nur lautes Beten gemeint sein müsse.

Die oben genannte Auslegung ist offensichtlich nicht zwingend, da in dem Abschnitt nicht ausdrücklich von lautem Beten gesprochen wird. InApg. 4,24 lesen wir: Sie aber, als sie es hörten, erhoben einmütig <ihre> Stimme zu Gott… Hierzu schreibt Karl-Heinz Vanheiden (Was die Bibel lehrt, Jakobus der Gerechte, CV Dillenburg, 1999, S.90): Am einfachsten ist es, wenn wir von der Annahme ausgehen, dass mehrere der Anwesenden gebetet haben ("sie … sprachen"), alle Gebete aber dasselbe Anliegen bewegten ("erhoben einmütig ihre Stimme") und von allen durch "Amen" bestätigt wurden. Hier werden die lauten Gebete einiger Brüder zusammen mit dem leisen Mitbeten aller anderen als einmütig zu Gott erhobene Stimme bezeichnet.

Gottes Hausordnung beim Zusammenkommen der Gemeinde

Im Abschnitt 1.Kor.11,17 bis 14, 40 kommt 7mal das Wort „zusammenkommen" vor. Aus dem Fehlen dieses Wortes in den Versen 3-16 schließen manche Ausleger, dass sich die Anordnungen bezüglich der Kopfbedeckung nicht auf die Gemeindezusammenkünfte beziehen, zumal die Frauen dort nach Kap.14,34 ohnehin zu schweigen haben. Bei dieser Frage ist es entscheidend wichtig, ob

A: Kap.11, 3-16 als allgemein gültig betrachtet wird – im Gegensatz zu Kap.14, wo spezielle Anordnungen für die Zusammenkünfte der Gemeinde gegeben werden oder ob

B: beide Abschnitte unabhängig von einander verstanden werden oder ob

C: beide Abschnitte für die Gemeindezusammenkünfte gelten.

A: Gesamtmenge von 1. Kor 11

B: 1. Kor. 11 und 1. Kor.14 als unabhängige Mengen


C: 1. Kor. 11 und 1. Kor.14 als eine Gesamtmenge

Zur Verdeutlichung sind die drei Auslegungsmöglichkeiten als Mengen dargestellt.

Die Form der Darstellung gemäß Typ A finden wir schon in 1.Mose 1 und 2, wo erst die gesamte Schöpfung einschließlich der des Menschen und dann in Kap.2 spezielle Einzelheiten der Schöpfung des Menschen dargestellt werden.

Auch der Apostel Paulus behandelt mehrfach zuerst den allgemeinen Fall und geht danach zum speziellen über. Als Beispiel sei genannt 1.Korinther 1,12....jeder von euch sagt, ich bin des Paulus,...Apollos,...Kephas, ..Christus. In Kap.3,4-10 behandelt er dann speziell und detailliert die Paulus- und die Apollos-Partei.

Beim Vergleich von 1.Kor.11 und 14 wird ebenfalls dieses Muster deutlich: In Kap. 11,3 wird die allgemein gültige Autoritätsordnung an den Anfang gestellt, und in dem entscheidenden V 5 werden das Beten oder Weissagen einer Frau mit unverhülltem Haupt ohne jede Einschränkung als Entehrung ihres Hauptes bezeichnet (allgemeiner Fall: Gesamtmenge). Im Gegensatz dazu wird in Kap.14,34 das Schweigen der Frau mit der Einschränkung „in der Gemeinde" angeordnet. Ebenso ist das Reden einer Frau nur „in der Gemeinde" schändlich (V.35) (spezieller Fall: Teilmenge).

Bei dieser Sicht A entsteht keinerlei Spannung zwischen den Aussagen in Kap.11,5 und Kap.14,34. Die Anordnung des Verhüllens gilt allgemein für betende oder weissagende Frauen. In den Zusammenkünften der Gemeinde haben die Frauen zusätzlich den „Dienst des Schweigens" – hier dürfen die Frauen also nicht weissagen oder laut beten. – Das gemeinsame Gebet der Gemeinde wie in Apg.4,24, bei dem natürlich auch die Frauen im Herzen mitbeten, ist hierdurch unberührt.

Vertreter der Ansicht B, die die Kopfbedeckung der Frau als Zeichen der Anerkennung von Gottes Autoritätsordnung abschaffen wollen, argumentieren kurz gefasst folgendermaßen: In Kap.14,34 wird das Schweigen der Frauen in der Gemeinde gefordert; in Kap.11,5 wird die Verhüllung der Frau beim Beten oder Weissagen gefordert. Wenn beide Aussagen unabhängig nebeneinander stehen, entsteht eine Spannung zwischen dem erlaubten Weissagen mit verhülltem Haupt und dem Schweigegebot. Zur Auflösung dieser Spannung wird entweder angenommen, dass sich der Abschnitt Kap.11,3-16 nicht auf die Zusammenkünfte der Gemeinde bezieht. Daraus folgt, dass in der Gemeindezusammenkunft die Verhüllung überflüssig sei. Da aber die Spannung nur beim lauten Sprechen der Frauen entsteht, wird zusätzlich angenommen, dass in Kap.11,5 lautes Beten gemeint sein müsse. Als Begründung dafür wird angeführt, dass beten und weissagen gemeinsam erwähnt werden, aber leises weissagen sinnlos sei.

Diese Auslegung ist aber nicht zwingend, da in dem Abschnitt nicht ausdrücklich von lautem Beten gesprochen wird – Hanna z.B. (1.Samuel 1,13) und viele andere haben leise gebetet. Ich meine, dass die Engel auch bei der stillen Zeit der Schwestern zu Hause Zeuge sind und sie auch in diesem Fall das Zeichen der Autorität tragen sollten. Dasselbe gilt natürlich für die stillen und die gemeinsamen Gebete im Rahmen der Gemeindezusammenkünfte.

Was bedeutet „die Frauen sollen in der Gemeinde schweigen?"

Auch die Ansicht C führt zu einer Spannung. Wenn Frauen mit bedecktem Haupt auch bei den Gemeindezusammenkünften beten und/oder weissagen dürfen, kann das Schweigegebot Kap.14,34 nicht absolut gelten.

Als Begründung für diese Ansicht wird die Erwähnung der Gemeinde in Kap.11,16 angeführt. Dabei wird aber vergessen, dass das Wort „zusammenkommen" erst im folgenden Abschnitt über das Mahl des Herrn vorkommt. Nach dieser Ansicht dürfen die Frauen in der Gemeinde beten und weissagen, aber nicht lehren (1.Tim.2,12), Fragen stellen oder schwatzen.

Es sei aber betont, dass bei der häufig in der Bibel verwendeten Darstellung nach Ansicht A überhaupt keine logischen Probleme auftreten – weder mit dem Zeichen der Vollmacht noch mit dem Schweigen der Frauen in den Versammlungen. Darum sollten sich die Vertreter der Ansichten B und C die Frage stellen, ob nicht eine Auslegung zu bevorzugen sei, bei der es keine logischen Probleme gibt. Außerdem wird der Gültigkeitsbereich des Schweigegebots ausdrücklich auf die Gemeindezusammenkünfte beschränkt, eine deutliche Widerlegung der Ansicht C:

1Kor 14,34 Wie in allen Gemeinden der Heiligen, so sollen die Frauen in den Gemeinden schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen untertan sein, wie auch das Gesetz sagt.

Zur Frage des Schweigens in der Gemeinde zitiere ich Jack Hunter (Was die Bibel lehrt, 1. Korintherbrief, CV Dillenburg, 1993, S.221-222):

"Eure Frauen sollen schweigen in den Versammlungen." Das ist absolut und läßt sich auf keinem Weg umgehen. Die Aussage ist einfach, klar, direkt und autorita­tiv. Es ist erbärmlich, mit wie vielen Worten manche Ausleger das wegerklären wollen. Einige stellen die beiden Verse (V.34-35) nach V.40. Andere behaupten, daß Paulus diese Worte nicht geschrieben habe, daß sie von irgend jemand anders später eingefügt wurden. Wieder andere sagen, daß das Sprechen sich auf das "Schwatzen" beziehe oder auf Unterbrechung durch Fragen von Frauen, oder daß diese Verse sich auf andere Zusammenkünfte beziehen würden, nicht die der Gemeinde, obwohl nichts in dem Abschnitt solch eine Unterscheidung rechtfertigt. Einige unterstellen, daß nur die Lehre ausgeschlossen sei, aber V.35 schließt jede öffentliche Beteiligung, sogar das Fragenstellen aus... Es folgen einige Übersetzungen von Kap.14,34, darunter:

SCHLACHTER: "Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen in den Gemeinden schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen untertan sein."

ELBERFELDER: "Eure Weiber sollen schweigen in den Versammlungen, denn es ist ihnen nicht erlaubt, zu reden, sondern unterwürfig zu sein."

REVIDIERTE ELBERFELDER: "Wie <es> in allen Gemeinden der Heiligen <ist>, sollen eure Frauen in den Gemeinden schweigen, denn es wird ihnen nicht erlaubt, zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen."

HOFFNUNG FÜR ALLE: "Wie in allen Gemeinden sollen auch bei euch die Frauen in den Gottesdiensten schweigen und dort nicht das Wort ergreifen. Statt dessen sollen sie sich unterordnen."

Wäre es nicht weiser, diese klaren Aussagen zu akzeptieren und alle anderen im Licht dieser Aussage auszulegen? Man beachte, daß das Wort "schweigen" (sigao) in V.34 dasselbe ist, wie in V.28 und V.30. In den letzten beiden Versen bedeutet es eindeutig: "aufhören mit öffentlichem Sprechen".

Sehen wir uns jetzt das Wort "reden" Ialeo an. Es wird uns gesagt, daß das Wort "schwatzen" bedeute, aber die Etymologie eines Wortes im NT ist nicht seine endgültige Bedeutung, sondern sein Gebrauch im NT und besonders seine Verwendung im Textzusammenhang. In den mehr als 300 Vorkommen im NT hat es nicht diese Bedeutung. Es ist gebraucht vom Sprechen Gottes (Joh.9,29), vom Sprechen Christi (Joh. 17,1). vom Sprechen des Heiligen Geistes (Apg.28,25). In unserem Kapitel wird es rund 24 Mal ge­braucht und immer bezieht es sich auf sprechen, nicht auf schwatzen. Das ist für seinen Gebrauch und seine Bedeutung eindeutig. Die Regel von V.34 ist positiv, deutlich und universal. Sie bezieht sich auf alles aktive Sprechen und Fragenstellen während der Versammlung. Die Bedeutung kann nicht missverstanden werden. Keine Regel im NT ist eindeutiger. Wie plausibel Gegenargumente auch sein mögen, die vorgebracht wurden, um Frauen zu erlauben sich zu beteiligen, die Sprache des Apostels ist klar und eindeutig und kann nicht beiseite geschoben werden, ohne den Tadel von V.38 auf sich zu ziehen. Das Verbot ist in den Ver­sammlungen der Heiligen absolut. Der Ausdruck "unterordnen" (hypotassomai) lenkt den Blick auf die Stellung der Unterwerfung, der Unterordnung, die der Frau von Gott gegeben wurde."Wie auch das Gesetz sagt", bezieht sich auf die Schöp­fungsgeschichte und die Ordnung der Geschlechter: der Mann wurde zuerst er­schaffen, dann die Frau - siehe l.Tim.2,13-14. Die Führerschaft ist dem Mann ver­liehen.... Die Sache wird durch eine starke Aussage abgeschlossen: "Es ist schändlich für eine Frau, in der Versamm­lung zu reden." Das Wort, das mit "schändlich" übersetzt ist (aischros), bedeutet skandalös, unschicklich, ungehörig, anstößig.

Wer diesem Verständnis von Gottes Autoritätsordnung sowie der speziellen Anordnung für das Zusammenkommen Seiner Gemeinde zustimmen kann, sollte bemüht sein, diese Erkenntnis in Liebe und Geduld in die Praxis umzusetzen.