Die Entrückung der Gemeinde vor Gottes Zorngericht auf dieser Erde

Hartmut Ising

Worauf hofften die ersten Christen?

Der Apostel Paulus sagt von den Christen in Thessalonich, dass sie Gottes Sohn vom Himmel erwarten, ... Jesus, der uns errettet vor dem zukünftigen Zorn.

Was bedeutet „der zukünftige Zorn“?

In Off.6,16-17 wird die Todesangst der Menschen vor dem Tag des Zornes Gottes beschrieben. Die 24 Ältesten sagen in Off.11,18, dass Gottes Zorn gekommen sei und in Off.15,1 lesen wir, dass der Grimm Gottes in den sieben Zornschalen erfüllt wird. Hieraus wird deutlich, dass der zukünftige Zorn das direkte Gericht Gottes auf dieser Erde bedeutet.

Dieses direkte Gerichtshandeln Gottes an den Menschen auf dieser Erde beginnt nach dem absolut einmaligen Schweigen im Himmel (Off.8,1) beim Schall der ersten Gerichtsposaune (Off.8,7-12). Vor diesem Gericht wird die Gemeinde entrückt (1.Thes.4,16-5,9). Diese Hoffnung wird von vielen bestritten, deshalb wollen wir Gottes Gerichte in der Vergangenheit untersuchen, um Prinzipien für das göttliche Gerichtshandeln verstehen zu lernen.

Nach welchen Prinzipien führt Gott direkte Gerichte auf dieser Erde aus?

Vor der Sintflut wurde Henoch entrückt und Noah bekam den Auftrag, die Arche zu bauen, in der er und seine Familie in dem Flutgericht bewahrt wurden. Bevor Gott das Gericht über Sodom und Gomorra ausführte, sprach er mit Abraham – seinem Freund – über dieses bevorstehende Gericht (1.Mo.18,17-33), denn der HERR tut nichts es sei denn, dass er sein Geheimnis seinen Knechten, den Propheten, enthüllt hat (Am.3,7).

In diesem Gespräch versichert Gott, der gerechte Richter, seine Bereitschaft, die sündigen Städte zu begnadigen, selbst wenn nur 10 Gerechte dort wären. Als dann Lot um Erlaubnis bat, sich nach Zoar retten zu dürfen, bekam er die Antwort: Schnell, rette dich dorthin! Denn ich kann nichts tun, bis du dorthin gekommen bist (1.Mo.19,22). Das Gericht wird also verzögert, bis der Gerechte (2.Pet.2,7) in Sicherheit ist.

Dasselbe Prinzip gilt auch für das zukünftige Gerichtshandeln Gottes, denn Gott ist unwandelbar. Das zukünftige Gericht Gottes ist in der Buchrolle beschrieben, die nur das Lamm öffnen darf (Off.5,6-9). Dieses Gericht kann erst beginnen, nachdem Gottes Knechte geschützt sind: Off.7,1-3 Nach diesem sah ich vier Engel auf den vier Ecken der Erde stehen; die hielten die vier Winde der Erde fest, damit kein Wind wehe auf der Erde, noch auf dem Meer, noch über irgendeinen Baum. Und ich sah einen anderen Engel von Sonnenaufgang heraufsteigen, der das Siegel des lebendigen Gottes hatte; und er rief mit lauter Stimme den vier Engeln zu, denen gegeben worden war, der Erde und dem Meer Schaden zuzufügen, und sagte: Schadet nicht der Erde, noch dem Meer, noch den Bäumen, bis wir die Knechte unseres Gottes an ihren Stirnen versiegelt haben.

Das zukünftige Gottesgericht kann erst nach der Versiegelung der Knechte Gottes beginnen. Durch die Versiegelung sind sie geschützt, während das Gericht die gottlose Menschheit trifft (Off.9,4; vgl. Noah in der Arche), und die Gemeinde wird wie Henoch vor dem Beginn von Gottes Zorngericht entrückt (1.Thes.4,15-18). Es wäre widersprüchlich, wenn Gott zwar seine Knechte aus Israel durch die Versiegelung vor dem Zorngericht schützen würde, aber die Gemeinde, die m.E. die unzählbare Schar ist, die durch das Blut des Lammes (Off.7,14) erlöst ist, den Gerichten ausgesetzt würden.

Was bedeutet “die große Bedrängnis” in Off.7,14?

Üblicherweise wird „die große Bedrängnis“ in Offenbarung 7,14 gleichgesetzt mit der in Dan.12,1 und Mt.24,21 genannten intensivsten Bedrängnis aller Zeiten: Denn dann wird große Bedrängnis sein, wie sie von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist und auch nie sein wird.

In Off.7,14 steht wörtlich: sie kommen aus der Bedrängnis, der Großen (griechisch: mega). M.E. ist hier die gesamte Bedrängnis der Gemeinde von Pfingsten bis zur Entrückung gemeint. Dafür spricht die Verwendung des bestimmten Artikels sowohl in Off.7,14 als auch in Off.1,9: Ich, Johannes, euer Bruder und Mitgenosse in der Bedrängnis.

Zur Zeit des Johannes wird die Bedrängnis der Gemeinde noch nicht als „die Große“ bezeichnet. Nach der Entrückung wird es dagegen offenbar sein, dass die Gemeinde zwischen der Steinigung des Stephanus und der Entrückung im wahrsten Sinne des Wortes durch „die Mega-Bedrängnis“ gegangen ist. Der Apostel Paulus sagt in Apg.14,22, dass wir durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen müssen.

Zu allen Zeiten hat es auf der Welt Christen in Bedrängnis gegeben, und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder des Leibes Christi mit (1.Kor.12,26-27). Daher kann die durch den bestimmten Artikel wohl definierte Bedrängnis in Off.1,9 mit der Bedrängnis, die nach dem Abschluss der Gemeindezeit den Zusatz – mega – die Große erhält, als die gesamte Bedrängnis der Gesamtgemeinde erklärt werden.

Wann beginnt der Tag des Zornes Gottes und des Lammes?

Der Tag des Zornes Gottes hat z.Zt. von Offenbarung 7 noch nicht begonnen, denn

# Die Märtyrer unter dem Altar erwarten zur Zeit des 5. Siegels den Gerichtstag Gottes (Off.6,10-11)

# Das 6. Siegel löst eine panische Furcht der Menschen auf der Erde vor dem direkt bevorstehenden Tag des Zornes Gottes und des Lammes aus. (Off.6,12-17).

# Der Beginn des Zorngerichtes wird verzögert bis die 144 000 aus den 12 Stämmen Israels versiegelt sind (Off.7,3-8).

Gottes Gerichtstag, der Tag des Zorns (Zeph.2,2), beginnt auf der Erde mit den Posaunengerichten nach der außerordentlichen Unterbrechung des Lobes Gottes im Himmel für eine halbe Stunde (Off.8,1-7).

Mit der hier dargelegten Auslegung erhält Offenbarung 7 eine einheitliche Bedeutung als Trost für:

1.) Gottes 144 000 Auserwählte aus Israel, die in den Gerichten durch das Siegel geschützt (vgl. Noah in der Arche) und

2.) die Gemeinde, die zu einer unbekannten Zeit vor dem Beginn des Tages des Zorns entrückt wurde (vgl. Henoch).

Worauf hofften die ersten Christen?

Bereits im 1. Jahrhundert erwartete die Gemeinde die baldige Wiederkunft des Herrn Jesus Christus:

Joh. 21,23

Es ging nun dieses Wort hinaus unter die Brüder: Jener Jünger stirbt nicht. Aber Jesus sprach nicht zu ihm, daß er nicht sterbe, sondern: Wenn ich will, daß er bleibe, bis ich komme, was geht es dich an?

1.Thes.1,9-10 Denn sie selbst erzählen von uns, welchen Eingang wir bei euch hatten und wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt, dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten, den er aus den Toten auferweckt hat - Jesus, der uns errettet von dem kommenden Zorn.

Aus diesen Bibelstellen zusammen mit 1.Thes.4,16-17 wird deutlich, dass die erste Gemeinde die jederzeit mögliche Ankunft der Herrn Jesus zur Entrückung seiner Gemeinde erwartete. Es muss also keine Prophetie erfüllt werden, bevor die Entrückung stattfinden kann.

Diese richtige Schlussfolgerung aus der neutestamentlichen Lehre wurde von manchen in dem Sinne missverstanden, dass vor der Entrückung überhaupt keine Prophetie erfüllt werden würde. Dieses Missverständnis wurde aber durch den Beginn der Erfüllung von Gottes Verheißungen an Israel widerlegt. Nach der neutestamentlichen Lehre dürfen wir jederzeit das Kommen unseres Herrn zur Entrückung erwarten. Wie viel die Gemeinde von anderen Prophezeiungen miterleben wird, ist uns verborgen. – Unabhängig davon haben wir die sichere, biblische Zusage, dass die Gemeinde vor dem Beginn des direkten Gerichtshandeln Gottes – also vor dem Tag des Zorns – entrückt sein wird.

Was geschieht nach der Entrückung der Gemeinde?

Das Evangelium des Reiches wird nach der Entrückung der Gemeinde von den 144 000 versiegelten Menschen aus den 12 Stämmen Israels verkündigt. Die Menschen, die dem Evangelium des Reiches glauben und nicht das Tier anbeten, werden im 1000-jährigen Reich auf der Erde leben. Das gilt sowohl für die Menschen, die die kommende, intensivste Bedrängnis von 3 ½ Jahren Länge überleben (vgl.Mt.25,31-45) als auch für die auferstandenen Märtyrer aus dieser Zeit (Off.20,4-6).

Die Überlebenden der intensivsten Bedrängnis haben sterbliche Leiber und können deshalb nicht vor Gottes Thron stehen (1.Kor.15,50-54). Ihre zeitlichen und sterblichen Leiber sind die Voraussetzung dafür, dass sie Kinder haben können (Mt.22,30). Die Nachkommen der Überlebenden werden am Ende des 1000-jährigen Reiches auf die Probe gestellt werden, ob sie Gott oder dem Satan folgen wollen (Off.20,7-8).

Der Mensch der Sünde offenbart sich nach Dan.9,27 mindestens 7 Jahre vor dem Kommen von Jesus Christus in Macht und Herrlichkeit. Dieser in Dan.9 angekündigte “kommende Fürst”, dessen Volk im Jahr 70 den Tempel und Jerusalem zerstörte, wird zunächst im Rahmen eines 7-Jahresbundes den auf den Messias wartenden Juden die Wiedereinführung des Opferdienstes in Jerusalem ermöglichen (vgl. meinen Artikel: Die Zukunft des Tempels in Jerusalem). Spätestens dieses Ereignis gibt Kennern der Schrift die Möglichkeit, diesen Menschen der Sünde zu erkennen, der sich dann 3 ½ Jahre später als Gott anbeten lassen wird. Nach Ablauf der für ihn festgesetzten Machtperiode von 42 Monaten (Off.13,5 und Dan.12,7) wird Jesus Christus, der König der Könige, ihn besiegen und in den Feuersee werfen (Off.19,11-20).

Für Gläubige, die die Schrift und das Wesen Gottes kennen, sollte es m. E. klar sein, dass die posttribulationistische*) Sicht mit der Gesamtaussage der Bibel unvereinbar ist.

*) Vertreter der posttribulationistischen Sicht akzeptieren zwar, dass die ersten Christen jederzeit die Wiederkunft Jesu Christi erwarteten –aber –ihrer Meinung nach –nicht zu einer “Vorentrückung” sondern zu einer Begegnung mit dem Herrn in der Luft –direkt vor Seiner sichtbaren Wiederkunft. Diese Ansicht steht aber im Widerspruch zu prophetischen Schriften im AT (vgl.Dan.9,27 und 12,1 und7-12) sowie der Lehre des Apostels Paulus, der die Gemeinde in Thessalonich schon mündlich darüber belehrt hatte, dass die Gemeinde vor dem Tag des Zorngerichtes Gottes entrückt wird. Da in Thessalonich dieser Lehre mit dem Argument widersprochen wurde, eine “Vorentrückung” könne es nicht geben, da der Tag des Zornes bereits vorhanden sei, korrigierte Paulus diesen Irrtum in seinem 2. Brief an die Thessalonicher: Wir bitten euch aber, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin, daß ihr nicht schnell erschüttert werdet in der Gesinnung, noch erschreckt, weder durch Geist, noch durch Wort, noch durch Brief als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre. Laßt euch von niemand auf irgend eine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, daß zuerst der Abfall komme und geoffenbart worden sei der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, welcher widersteht und sich selbst erhöht über {O. gegen} alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, so daß er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei. Erinnert ihr euch nicht, daß ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war? Und jetzt wisset ihr, was zurückhält, daß er zu seiner Zeit geoffenbart werde. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist, und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft.

Dieser Bibeltext gehört zu den Schlüsselversen, durch die J.N. Darby im Jahr 1830 zur Wiederentdeckung der “Vorentrückungslehre” geführt wurde.

Worauf freuen wir uns?

Der Apostel Paulus schreibt: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein (Phil.1,23). Seine Sehnsucht ist auf die Gemeinschaft mit seinem geliebten Herrn Jesus Christus im Himmel gerichtet. Dieses Ziel möchte er aber lieber ohne den physischen Tod erreichen, denn der Tod ist der letzte Feind (1.Kor.15,26). Er bezeichnet seinen sterblichen Leib als Zelt und wünscht sich, nicht entkleidet sondern mit dem Ewigkeitsleib überkleidet zu werden: Denn wir freilich, die in dem Zelt sind, seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben. (2.Kor.5,4). Schon in seinem ersten Brief an die Korinther hatte er von dem Geheimnis geschrieben, dass nicht alle Gotteskinder sterben müssen: Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden, unvergänglich <sein>, und wir werden verwandelt werden (1.Kor.15,51-52).

Die erste Posaune ist das Signal zum Sammeln der Gemeinde. Sie erschallt in der gesamten Zeit der Gnade – von Pfingsten bis zur Entrückung. Paulus lobt die Thessalonicher, dass von ihnen aus das Wort des Herrn erschollen ist (1.Thes.1,8). Das Wort „erschallen“ beschreibt den Schall eines Blasinstrumentes – z.B. einer Posaune oder Trompete. Das biblische Vorbild für dieses Signal ist beschrieben in 4.Mose 10. Das erste Signal mit den silbernen Signaltrompeten bedeutete „Sammeln“, das zweite Signal – das „Lärmsignal“ (das hebräische Wort hat auch die Bedeutung „Schall der Freude“) bedeutete „Abmarsch“.

Wir wissen, dass dieser freudige Schall der zweiten und letzten Posaune ertönen wird, wenn die Vollzahl aus den Nationen (Rm.11,25) versammelt und zum Abmarsch bereit ist, und wir bitten unseren Herrn: Amen, komm Herr Jesus!

H. G. Spafford bringt im letzten Vers des Liedes: „Wenn Friede mit Gott meine Seele durchdringt“ seine Hoffnung auf die Entrückung mit folgenden Worten zum Ausdruck:

O, eile mein Herr, und lass kommenden Tag, mein Glaube sieht ihn schon von fern;

die Wolken vergehn, die Trompete erschallt. Halleluja, ich bin bei dem Herrn.

(2018-09)